Das Mädchen, das vom Himmel fiel

Liebe Leser,
das ist die unglaubliche Geschichte eines 17-jährigen Mädchens, das 1971 als Einzige einen Flugzeugabsturz aus 3000m Höhe überlebt hatte. Alle 91 anderen Passagiere waren gestorben.

Juliane Köpcke ist die Tochter deutscher Biologen, die nach Peru ausgewandert waren und mitten im peruanischen Dschungel eine Forschungsstation namens Panguana eingerichtet hatten. Insofern war sie mit den Dschungelgegebenheiten vertraut, was mit ein Grund war, dass sie dort 10 Tage allein überleben konnte.

Es passierte am 24. Dez. 1971. Die meisten Passagiere des Flugs 508 einer Lockheed L-188 Electra der peruanischen Fluggesellschaft Líneas Aéreas Nacionales S. A. (LANSA) von Lima nach Pucallpa waren Familienmitglieder auf dem Weg nach Hause, die meisten mit Weihnachtsgeschenken. Auch Juliane und ihre Mutter wollten Neujahr in der Station, bei ihren Vater verbringen, nachdem Juliane gerade ihren Schulabschluss gemacht hatte. Dieses Foto von der Abschlußfeier entstand nur 24 Stunden vor der Katastrophe.
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Der Flug war hoffnungslos überbucht, nachdem am Vortag durch Gewitter Flüge nach Pucallpa gestrichen worden waren. Auch der Regisseur Werner Herzog und ein Filmteam für sein Filmprojekt Aguirre, der Zorn Gottes war für den Flug am 23. vorgesehen, und hatte - vergebens - versucht, den Flug vom 24. zu buchen! Gottseidank für die Filmwelt und alle Herzog-Fans konnte er diesen Unglücksflug nicht antreten.

Der Sturz

Juliane saß auf einem Fensterplatz einer Dreiersitzbank neben ihrer Mutter. Das Flugzeug kam in eine schwere Gewitterfront, und statt auszuweichen flog der Pilot offenbar mitten hinein. Ein Blitz traf das Flugzeug und es ging in einen Sturzflug über. Es zerbrach noch in der Luft und stürzte in den Regenwald. Dabei wurde Juliane hinausgeschleudert und befand sich, noch auf ihrer Dreierbank sitzend, im freien Fall mit dem Kopf nach unten! Bruchstückhaft konnte sie sich noch an die Ereignisse erinnern. Der Sturz wurde wohl durch Aufwinde gemildert, durch eine starke Rotation der Sitzgruppe und schliesslich durch den Fall in ein dicht mit Lianen besetzes Blätterdach aus Bäumen, wöhrenddessen sich die Sitzgruppe gedreht hatte und sie nun aufrecht sitzend zu Boden fiel. Wie durch ein Wunder blieb sie bis auf eine schwere Gehirnerschütterung, einen Bruch des Schlüsselbeins und einige Schnittwunden (von denen sich eine allerdings später übel entzündete), relativ unverletzt. Sie wachte erst 20 Stunden nach dem Absturz aus einer Bewußtlosigkeit auf. Sie spürte keinen Schmerz und ihre Wunden bluteten kaum - die Auswirkungen des Schocks.

Die Wanderung durch den Dschungel

Juliane, die nur einen Minirock anhatte und nur eine Sandale (die andere hatte sie verloren), suchte zunächst erfolglos nach ihrer Mutter. Später sagte ihr Vater in einem Interview, dass auch ihre Mutter den Absturz überlebt hatte, aber an der Absturzstelle (die über Dutzende Quadratkilometer verteilt war) ausgeharrt hatte, was ihr und anderen Überlebenden zum Verhängnis geworden war. Das Flugzeug war schon in so großer Höhe in Einzelteile zerbröselt worden, dass man aus der Luft keinerlei Hinweise auf die Absturzstelle erhalten hatte. Das riesige Suchgebiet war unwegsamer Dschungel, Suchtrupps zu Fuß wären völlig vergebens gewesen bzw. als die ersten Retter schliesslich eintrafen, fanden sie keine Überlebenden mehr.
Statt zu warten, beherzte Juliane das, was ihr Vater einmal zu ihr gesagt hatte: "Falls Du Dich im Dschungel verirrst, folge immer dem Wasser, dann wirst Du zwangsläufig auf eine Siedlung stossen." Und genau das machte sie. Sie hörte, nicht weit von der Absturzstelle, das Tröpfeln von Wasser und kam bald auf einen Bach, dem sie immer weiter folgte, bis sie an einen Fluß kam. Erst 4 Tage später fand sie andere Absturzopfer. Ebenfalls eine Dreiersitzgruppe mit 3 Frauen darin, doch sie hatten kein Glück gehabt und waren mit den Köpfen voraus direkt in die Erde gerammt worden.
10 Tagen dauerte ihre Wanderung flußabwärts, vorbei an Krokodilen (die aber harmlos sind) und Stachelrochen (die einzige Gefahr), die sie mit einem Stock aufzuschrecken versuchte. In der Zeit aß sie nichts, bis auf eine Packung Bonbons, die sie zwischen Wrackteilen gefunden hatte.

Die Rettung

In der Abenddämmerung des 10. Tages, schon völlig entkräftet und halb im Delirium, fand sie endlich ein Boot, das am Ufer vertäut war. Sie näherte sich ihm und entdeckte einen kleinen Weg, der hinauf zu einer Hütte führte. Mit letzten Kräften schleppte sie sich dort hinauf, und schlief in der Hütte ein. Am nächsten Tag fanden sie 3 Holzarbeiter. Sie erschienen ihr wie Engel. Sie versorgten ihre Wunde mit Benzin, entfernten einige der Maden, die sich darin eingenistet hatten und fuhren mit dem Boot 11 Stunden bis zur nächsten Siedlung. Ihre Augen war noch von dem Fall so geschwollen und blutunterlaufen, dass auf dem Weg einige in Panik flüchteten, weil sie sie für einen Walddämon hielten!
Von dort wurde sie nach Pucallpa, in ein Missionsspital, ausgeflogen.

Kurz nach ihrer Rettung, in Pucallpa.
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1972, nach ihrer Genesung, besuchte Juliane Köpcke erstmals Deutschland. Sie machte das Abitur, studierte Biologie und promovierte in München. 2000 übernahm sie die Leitung der Forschungsstation Panguana, die 2011 von der peruanischen Regierung als Naturschutzgebiet anerkannt wurde.

1998 kehrte Werner Herzog mit ihr zur Absturzstelle zurück und drehte die Dokumentation "Wings Of Hope" (zu sehen in voller Länge auf Youtube, siehe unten) - ein bewegendes Filmdokument, ein typischer Herzog! Falls Ihr nicht so viel Zeit habt, schaut Euch doch die letzten 5 Minuten an, ca. ab 1St01min.

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Juliane mit Teilen des Flugzeugwracks 27 Jahre nach der Katastrophe.

In der Nähe des Flughafens in Pucallpa wurde später ein Monument mit über 60 Gräbern der Verstorbenen vom LANSA-Flug 508 errichtet, "Alas de Esperanza" genannt - Flügel der Hoffnung, mit einer Karte der Absturzstelle und einer Linie, die Julianes Route aus dem Dschungel zeigt.
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Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Juliane_Koepcke


Alle Fotos sind Standbilder aus dem Film.

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Beim Lesen (Einsaugen) einer solchen Dokumentation erklärt sich für mich immer wieder auf ein Neues, weshalb der Mensch Erklärungen für den Moment des beinahe Unfassbaren in aller Regel in der Übersinnlichkeit, Religion oder Gottgegebenen sucht. Genau hier möge er auch verbleiben, um eine Erklärung dafür liefern zu können, was eigentlich als unerklärlich gilt.
Doch richte ich meinen Blick auf den (die) Betroffene(n), sehe jemanden, der sich von Wille, Hoffnung, Zufall, noch mehr Wille, noch mehr Hoffnung und der eigenen Zuversicht in die nächsten Stunden hangelt. Näher kann man dem realen Leben kaum kommen.
Großartig!

Wow, eine coole Story!
Das die Mutter das mit dem Wasser nicht wusste..!!
Danke, das war echt interessant! 👍

Sehr interessant! Das schaue ich mir heute noch an

Ich auch!

Eine spannende Geschichte! Offensichtlich überlebten immer wieder Menschen Stürze aus einigen 1000 Metern.

interessante Geschichte.

Was für eine Story. Den Film werde ich mal suchen.

Danke für das Teilen der Geschichte

Du brauchst ihn gar nicht suchen, er ist unten verlinkt.

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Schon erstaunlich, das man einen Sturz aus solch einer Höhe überleben kann. Da müssen schon so einige Zufälle mitgespielt haben. Wahrscheinlich hat die dichte Vegetation die Sitzbank langsam genug abgebremst. Anders ist das nicht zu erklären. Denn eigentlich reichen schon 50m um 100%ig tot zu sein. Aufwinde in dem Gewitter nützen da nichts, denn die sind weiter oben. Im Gegenteil, ich schätze mal das extreme Winde der eigentlich Grund für den Absturz waren. Denn Blitzschlag ist bei Flugzeugen kein großes Problem, das passiert öfter mal. Davon zerlegen die sich nicht, denn ein Flugzeug ist ein Faradeyscher Käfig der den Blitz außen ableitet. Steig- und Fallwinde allerdings können sehr wohl ein Problem sein, denn die sind manchmal extrem stark. Deshalb vermeidet man auch das Durchfliegen von Gewittern wenns eben geht. Schon damit die Passigier nicht ihr Frühstück wieder ausspucken...
Noch erstaunlicher finde ich, das sie dahin zurückgekehrt ist. Ich hätte das als Zeichen gesehen, in Zukunft einen weiten Bogen um Flugzeuge zu machen. Und um Dschungel. Denn zweimal geht sowas nicht gut.

OMG, was für eine Geschichte! Es zeigt sich hier wiederum, was uns Menschen ausmacht. Hilfsbereitschaft, Durchhaltevermögen und das Festhalten am Leben. Fand toll, dass sie den Mann nochmal besucht hat, der sie damals gerettet hat.

Hilfsbereitschaft, auch über Speziengrenzen hinaus, Durchhaltevermögen und Festhalten am Leben macht auch Tiere aus.. Sie haben nur keine Hände um damit zu helfen... 😉
Im Gegenteil, es liefert sie uns hilflos aus.

Da magst du recht haben. 👍🏻