Dienstag – Manipulierte Wahrheitsfindung

in Deutsch D-A-CHlast year

Außerdem beginnt der Sonntag herzhaft und gestorben wird erst, wenn man es sich leisten kann

Videoüberwachung in Vollendung

An einem kleinen Beispiel starte ich den Versuch zu veranschaulichen, wie (insbesondere auch außerhalb von Sportstätten) allein die Erwähnung des Videobeweises, zu überraschenden (vielleicht auch fragwürdigen) Ergebnissen führen kann.

Es mag vielleicht zwei Jahre her sein, als Mario den Anruf einer (indirekten) Nachbarin entgegennahm, deren Hof circa fünf Kilometer von seinem Haus entfernt liegt und die ihn bat, einen Kontrollblick auf ihren Subventionsantrag zu werfen, um ihn dann an das zuständige Amt weiterleiten zu können.
So hieß es für ihn, ab ins Auto und hin zu der etwas ratlosen Dame. Auf der relativ kurzen Strecke musste er wie immer das kleine Dorf unterhalb seiner bescheidenen Bleibe durchqueren, was niemals (obwohl inzwischen nur noch von einer Handvoll Menschen bewohnt) unbemerkt über die Bühne gehen kann. So auch dieses Mal, weil der Bauer von Hausnummer 16 gerade dabei war, seinen Stall zu entmisten.

Luka (so der Vorname des Bauern) und Mario sind jetzt nicht unbedingt das, was man in der Regel als beste Freunde bezeichnen würde. Was seinen Ursprung darin hat, dass Mario mehrere seiner Wiesen und Waldstücke nur erreichen kann, wenn ich über Lukas Land fährt oder läuft. (Gleiches gilt für den Umkehrschluss.) Normalerweise überhaupt kein Problem, da die Gegebenheiten sich seit Generationen nicht verändert haben.
Wie bereits erwähnt – normalerweise.

Dieses Mitglied der Ortsgemeinde (mitsamt seiner angeheirateten Gattin) startete, aus welchem verschrobenen Grund auch immer, in letzter Zeit immer öfter den Versuch, seinem Nachbarn den Zugang zu dessen Land zu verweigern. Da auch die kroatische Gesetzgebung die Umsetzung eines derartigen Schwachsinns nicht hergibt, war stets der wortlose, aber zutiefst beleidigte Rückzug des Quertreibers angesagt.

Was sich nun unmittelbar im Anschluss nach Vorbeifahrt an Haus Nr. 16 ereignete, muss sich in etwa so abgespielt haben:
Im Kuhstall blieb die Gabel in der Scheiße stecken und Luka stürmte in die Küche, wo in der Schublade des Wohnzimmerschrankes die Tube mit dem Sekundenkleber auf ihren Einsatz wartete. Sofort machen sich Genosse Schwachkopf mitsamt Kleber auf den kurzen Weg zu dem Anwesen, dessen Eigentümer kurz zuvor mit dem Auto in unbekannte Welten aufgebrochen war.

Kaum den Ort der Verdammnis erreicht (die Vorfreude auf das jetzt Kommende bereits im allmorgendlich rasierten Gesicht ablesbar) offenbarte sich Luka das Problem, mit welchem jeder Nutzer zwangsläufig konfrontiert wird, wenn der Tube mit Sekundenkleber, nach dem ersten Gebrauch, einfach nur lasch und schlampig der Verschluss aufgeschraubt wurde.
In der logischen Schlussfolgerung dessen lässt sich die fast winzige Kappe nicht aufschrauben. Gelingt es, trotz allen Widrigkeiten, mit viel Mühe und Glück, verweigert der so sehnsüchtig begehrte Kleber in aller Regel den Austritt ans Tageslicht.

Was jetzt? Gehirn einschalten ging nicht, da bei dem Erdenbürger Luka (Hausnummer 16) auf den Einbau eines solchen Kippschalters gänzlich verzichtet wurde. So sucht Luka, im Angesicht einer sich anbahnenden Panik, Marios Terrasse nach so etwas wie einer Stecknadel ab, um der klebrigen Verstopfung ein Ende zu bereiten. Blöd halt nur, wenn im Haushalt von Mario Nadeln in einer Blechkiste gehortet und gehütet werden, die sich nie sonderlich weit von der Nähmaschine entfernt aufhält. Weil der Parkplatz der Nähmaschine fern der Terrasse liegt, gestaltete sich die Suche des panischen Klebefreaks äußerst schwierig.

Da alternativlos, brach der Vollochse einfach den Kopf der Tube ab. Der Kleber begann zwar sofort zu fließen und sah allerdings auch keinen Anlass dafür, diese doch noch kurz zuvor so begehrlich eingeforderte Fracht, nur auf Abruf und wohldosiert auszuspucken.
Es handelte sich mit Sicherheit um einen Augenblick nahe einem sich ankündigenden Herzinfarkt, den Luka nun überstehen musste, da seine ursprüngliche Mission zu scheitern und der Kleber auf dem Holzboden der Terrasse zu erstarren drohte.

Zur gleichen Zeit nahm Mario, nur wenige Autominuten entfernt, einen nur mäßig ausgefüllten Antrag entgegen und versicherte der überforderten Antragstellerin, den Wisch in ein paar Tagen ordnungsgemäß ausgefüllt zurückzubringen. Was folgte, war der vorhersehbare Ablauf: rein ins Auto und zurück ins wohlig, kuschlige Zuhause.

Als Luka das Motorgeräusch eines sich nahenden Autos bemerkte, nahm der sich ankündigende Infarkt von seinem ursprünglichen Vorhaben Abstand und überließ einem heftigen und dabei auch noch ausgedehnten Durchfall den Vortritt. Scheiße mit Sekundenkleber in einer Union wider Willen – wer um Himmels willen benötigt so etwas direkt vor seiner Küchentür – muss sich wohl Mario gedacht haben, als er das üppige Freiluft-Vorzimmer zu seinem Haus betrat?

Glücklicherweise bot ihm Herr Kärcher (wie immer in Gelb-Schwarz gekleidet) seine Hilfe an und zehn Minuten später war der Terrassenboden vom gröbsten (im wahrsten Sinne) Mist befreit. Marios Frau, inzwischen auch präsent auf dem Tableau, richtete ihre Aufmerksamkeit weniger auf die stinkenden Hinterlassenschaften, sondern ganz und gar auf die Türschlösser zu der Küche und dem Heizungskeller.

Nicht ohne Grund, da der inkontinente Scheißer noch bis zu seiner überhasteten Flucht versuchte, den freigesetzten Kleber mit Zeigefinger und Daumen vor der Aushärtung in den Türschlössern unterzubringen. Das Ehepaar einigte sich (nach einigen Minuten der Meinungsfindung) darauf, den Vorfall zwar als ärgerlich, aber nicht als Anlass zum Sturm auf die Bastille zu nutzen. Kein Kampf Mann gegen Mann, Nachbar gegen Nachbar und erst recht keine Guillotine.

Man ging sich im Anschluss geflissentlich aus dem Weg und das ursprüngliche Vorhaben, mit einem klärenden Dialog die Angelegenheit ad acta zu legen, vermoderte in der Kiste, welche mit den Worten beschriftet ist: irgendwann einmal. Stattdessen entschied sich der Familienrat zur Installation einer Kamera, die alle jene Aktivitäten aufzeichnet, die sich so abspielen, wenn die Hausherren überzeugt sind, dass überhaupt nichts passieren dürfte.

Und vorgestern kam es dann zum allseits bekannten irgendwann einmal. Wie so oft trägt auch dieser Showdown eine kleine Vorgeschichte mit in seinem Gepäck:

In der letzten Woche machte sich der Besitzer einer Hightech-Kamera auf, einige seiner kränkelnde Tannen zu begutachten, die in dem Wald stehen, der direkt an Lukas Hof angrenzt. Den schnellsten Zugang nutzend, nahm Mario die Abkürzung über die Zufahrt zum Hof des Klebefetischisten. Dass diese Annäherung nicht unbemerkt bleiben würde, war bereits zuvor klar, da von Lukas Hund exakt das zu erwarten war, was er auch tat: bellen. Doch, abgesehen vom leichten Anheben des Küchenfenstervorhangs, geschah überhaupt nichts.

Ganz offensichtlich benötigte der engere Familienrat einige Tage, um sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise zu einigen. Dies scheint durchaus nachvollziehbar, berücksichtigend, es hier mit zwei Dorfbewohnern zu tun zu haben, von denen (wie wir bereits wissen) der männliche Part auf keine belastbaren Hirnstrukturen zugreifen und seine Angetraute mit dem Intelligenzkoeffizienten einer abgeschalteten Zentralheizung konkurrieren kann. Da wird die Suche nach einer wohldurchdachten, gut strukturierten Vorgehensweise zur beinahe unlösbaren Mammutaufgabe.

Jedenfalls blieb es der „Zentralheizung“ vorbehalten, das vor Tagen Beobachtete verbal aufzuarbeiten. Diese Gelegenheit bot sich, als Mario zu Fuß auf dem Weg durch das Dorf war.
„Sag mir mal, was du auf unserem Hof verloren hast?“
Der Angesprochene musste sich erst einmal orientieren, von wo die Stimme überhaupt kam. Wem sie zuzuordnen war, darüber bestand kein Zweifel. Da stand sie dann, Lukas Goldstück – in blauer Latzhose und auf eine Mistgabel gestützt. Da Grußformeln ganz offenbar nicht für notwendig erachtet wurden, antwortete Mario geradeheraus:
„Ich wollte mir ein Bild dessen machen, ob ich die Tannen besser mit der Seilwinde nach oben ziehe oder runter ins Tal befördere? Nach unten wäre vielleicht nicht so günstig, da ich dann über eure Wiese müsste, die, wie ich gesehen habe, jedoch noch nicht gemäht ist.“

Der sich darauf aufbauende Dialog kann als Beweis dafür hergenommen werden, dass allein das Erwähnen einer Überwachungskamera alle bisherigen Vermutungen zu Staub und Asche werden lässt und dem tatsächlichen Geschehen Tür und Tor zu öffnen vermag.
„Du ziehst hier nirgendwo Tannen raus. Weder oben noch unten. Weil das nämlich unsere Tannen sind. Die hat Lukas Bruder vor mehr als 20 Jahren dort gepflanzt. Und außerdem, wenn du noch einmal ungefragt über unseren Hof läufst, rufen wir sofort die Polizei. Nur, dass du für die Zukunft Bescheid weißt.“
„Willst du mir jetzt ernsthaft verbieten, meinen eigenen Wald zu betreten? Mach dich bitte nicht lächerlich.“
„Ich will dir nur sagen, dass ich und Luka nie Grund und Boden von anderen Leuten betreten, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Daran kannst du dir gefälligst ein Beispiel nehmen.“
„Wenn dem so ist, dann erkläre mir, was dein Luka bei uns auf der Terrasse verloren hatte?“
„Das stimmt überhaupt nicht. Der war nie und nimmer bei euch.“
„Marija, wir haben am Haus Überwachungskameras installiert. Du kannst jetzt gerne mit mir hoch zum Haus gehen und dann schauen wir uns gemeinsam an, wie sich dein verschissener Held auf dem Grund und Boden seiner Nachbarn verhält.“
„Das sage ich dir gleich. Ich war aber nicht dabei!
Nun war es an Mario, sich zu fragen, ob die Kamera wirklich notwendig war?

Wenn schon frühstücken – dann bitte mit richtig Schmackes!

Als Frühaufsteher (04:00 Uhr), unverbesserlicher und notorischer Kaffee-schwarz-Trinker in rauen Mengen und dazu auf nüchternen Magen, folgt dem Angriff mit Feder und Tinte auf das weiße Papier und dem Blick in die Netzstrumpfhose der digital verpackten Nachrichten und Neuigkeiten, der Gang zu den Vierbeinern und dem Federvieh mit eigener Eierproduktion.
Wenn all das erledigt ist und Amigo mit Stock im Maul bereits zum Aufbruch drängt, rückt ein Frühstück in meinem Tagesablauf meist auf das Abstellgleis.
Aber wenn doch, dann gehört Feuer unter die Eisenpfanne!

Sonntagsfrühstück auf dem hügligen Land

Ganz am Anfang steht die benötigte Motivation am Sonntagmorgen, überhaupt den Weg in die Küche einzuschlagen. Diese Motivation speist sich aus dem Umstand, die Jazz-Matinee bereits in die Gänge geleitet zu haben und der Bitte meiner Frau, doch wenigstens an einem Tag in der Woche so etwas Ähnliches zu zelebrieren, wie das, was in anderen Familien Frühstück genannt wird. Die Bitte, diese Augen – Widerstand zwecklos!

Alles beginnt damit, die Pfanne auf Temperatur zu bringen, etwas Butterschmalz oder Kokosfett zulegen und dann Zwiebel-, Champignon- und Speckscheiben in die heiße Pfanne legen.

Auf den angerösteten Pfanneninhalt, den ich zuvor noch mit etwas Pfeffer aus der Mühle und Kräutersalz gewürzt habe, gebe ich nun zwei Eier. Reduziere die Hitze und gewähre dem Eiweiß die Zeit leicht stocken zu können.

Noch mit gehackten Kräutern verfeinern und dann, fertig zum Servieren, auf den Tisch stellen.

Wenn das Endprodukt jedoch nicht die Auszeichnung als Sonntagmorgenfrühstück einzuheimsen weiß, dann muss ich mir für die nächste Woche was komplett anderes überlegen.

Ich wünsche euch einen guten Appetit!

Bitte lesen, denn es geht uns alle an!

Was haben die Engländer in der amerikanischen Kohlemine verloren?

Die Geschichte von Sixteen Tons.

Dieser Song tauchte bereits am Sonntag in der Jazz-Matinee auf, wo er von Ina Forsam (einer Finnin) in exzellenter Weise interpretiert wurde. Doch fragte ich mich, wieso europäische Künstler sich dermaßen oft in diesen uramerikanischen Stoff verbeißen und ihn auch dann noch hervorragend interpretieren?
Das Original stammt höchstwahrscheinlich von Merle Travis, dessen Familie tief im Bergbau verankert war. In einem Brief seines Bruders wurde Merle darüber informiert, dass ein gemeinsamer Freund, Ernie Pyle, tätig als Journalist und Kriegsberichterstatter, während der Ausübung seines Berufes ums Leben gekommen ist.

Alexis Corner – Sexteen Tons

Merle Travis stellte die Zusammenhänge her zwischen der Abhängigkeit in jedem Berufszweig, in dem welche den Hintern im vorgeheizten Sessel reiben, während die, die für Sessel und Heizung bezahlen, ihr Letztes aus den Rippen kratzen.
Daher auch das Zitat aus dem Lied, als zur Sprache kommt, dass der abhängige Arbeiter sich den Tod überhaupt nicht leisten kann, da seine Schulden im Gemischtwarenladen die finanziellen Möglichkeiten seiner Familie sprengen würden.

Eric Burdon – Sixteen Tons

Warum wagen sich dann ausgerechnet zwei Engländer an diesen Stoff und setzen ihn umwerfend gut um? Höchstwahrscheinlich deshalb, weil auch wir in Europa auch die Schulden im Gemischtwarenladen um die Ecke noch begleichen wollen, bevor wir vor der Ungerechtigkeit letztlich kapitulieren und uns abseilen lassen.

Kommentarlos gebe ich für heute den Schlüssel an den Reinigungsdienst weiter.

Bleibt munter und gesund bis zum nächsten Dienstag, wenn der Gemischtwarenladen wieder seine Pforten öffnet.