Lebenslektionen - Träume und Wünsche - Vergangenheit und Zukunft (Part 43)

in #deutsch7 years ago

In der Freiheit gibt es zwar Grenzen, aber keine Einschränkungen.

Ideen, Wünsche wir haben noch viele! Unterdessen haben wir gelernt, dass es nichts gibt, was wir nicht erreichen können. Es ist alles "nur" eine Frage der Zeit und unserer Energien. Jürg wünscht sich eine Holzhütte an einem einsamen Bergsee im Appalachengebirge. Wir diskutieren über den Import von Freibergerpferden, ein Zuchthengst und ein paar Stuten. Die Kanadier stehen auf diese Pferde. So unscheinbar unsere Mona Lisa auf den ersten Blick scheint, so hätten wir sie doch am weit häufigsten verkaufen können. Die Araber stehlen ihr zwar die Show, aber wenn Farmer und Händler bei uns auf der Suche nach Arbeitspferden vorbeischauen, dann ist es immer Mona Lisa, für die sich alle interessieren.

Unsere Farm lässt auch noch viele Wünsche offen. Wir streben nach der vollkommenen Unabhängigkeit. Ein Paradies, das in sich selbst funktioniert und uns ernährt. Von der eigenen Stromversorgung durch eine Windmühle träumen wir. Getreide möchten wir anbauen und ernten. Der biologische Gemüsegarten, der jedes Jahr ein Stück grösser wird und eines Tages unseren Vorratskeller für den ganzen Winter füllen soll. Einige Milchziegen für das leibliche Wohl. Die Quelle, die wir vor einiger Zeit entdeckt haben und absolut köstliches Wasser fördert, sollte erschlossen werden. Einen überdachten Reitplatz, damit ich in Zukunft auch im Winter mit den Pferden arbeiten kann, wünsche ich mir Und dann möchten wir irgendwann die Zeit haben, um unsere Heimat zuentdecken! Den Norden von Québec mit dem Kanu und einem Trapper, der uns in die Geheimnisse der Wildnis einweiht, durchstreifen oder zu Pferd wochenlang die einsamen Pfade im Appalachengebirge erkunden. Das Leben ist grenzenlos aufregend! Und nichts wird uns davon abbringen unsere Träume zu leben und nicht nur vom Leben zu träumen!

Eine letzte Auswanderungsgeschichte:

Juni 2002
Unternehmen Arche Noah:

9 Pferde, 3 Esel, 4 Hunde, 3 Katzen, 2 Kaninchen, 3 Frettchen und zwei Minipigs erreichen in den frühen Morgenstunden des 9. Juni die Domaine Fraser in St-Ferdinand in Québec, Canada. Darunter vier trächtige Stuten, zwei Hengste und zwei Fohlen. Ein schwieriges, zeitaufwendiges und teures Unternehmen hat somit die erste, grosse Hürde genommen. Nicht zu unrecht haben die Mitarbeiter von Peden-Hartrodt diesem Gross-Tiertransport den Namen Arche Noah gegeben. Für einmal sind nicht wir die Verrückten, die Tiere um die halbe Welt schicken. Sandra und ihr Mann Jürg haben endlich auch ihren Traum wahr werden lassen und sind stolze Besitzer der Freizeit- und Ferien-Domaine Fraser in Québec geworden!

Für einmal umgekehrt: Ein Brief von Sandra an Heidi, ein letzter Brief von Sandra aus der Schweiz:

Liebe Heidi, es ist drei Uhr morgens und ich sitze hier am Computer um Dir eine letzte Nachricht vor der Abreise zu senden. Danach wird Jürg den PC einpacken und im Container verstauen. Du merkst schon, wir sind auch in der Nacht vor der Abreise immer noch mitten im Chaos. Mein Vater und Jürg haben im Dunkeln sogar noch mit der Taschenlampe den Container vollgestopft. Stopfen ist das richtige Wort. Er ist tatsächlich bis unters Dach voll. Nie habe ich gedacht, das wir so viel mitschleppen werden. Jürg sitzt gerade neben mir auf dem Boden (die Möbel sind Gott sei Dank alle schon draussen) und sortiert die letzten Akten, die wir für die Reise brauchen. Meine Schwester Andrea habe ich vorher im Schlaf der Erschöpfung auf dem Fussboden vorgefunden. Einfach so, ohne Kissen und Decke. Ich musste ganz schön grinsen, als ich sie so fand. Meine Eltern fuhren gegen ein Uhr nachts nach Hause. Sie zogen ihre eigenen Betten vor. Um sechs Uhr klingelt dann schon wieder der Wecker. Dann werden wir die letzten Sachen einpacken, ein letztes Mal die Tiere füttern… Überhaupt ist dieses " letzte Mal " ein grosses Thema. Das letzte Mal geh ich hier reiten, das letzte Mal spaziere ich über mein Land, das letzte Mal gebe ich diese Reitstunde, das letzte Mal koche ich hier Abendessen… Diese Gedanken begleiteten alles was ich in den letzten Wochen und Tagen tat. Ein komisches Gefühl. Ein gewaltiges Gefühl! Manchmal kann ich es kaum glauben das Du dieses Fleckchen Erde hier nie selber gesehen hast. Du kennst fast all unsere Tiere nur von Beschreibungen und Fotos. Und doch sind wir uns so nah. Die Türkis-Ranch wirst Du nun nie sehen, aber all unsere Tiere wirst Du bald kennenlernen. Wie wunderschön, wenn wir gemeinsam über unser Land reiten können!
Und die Hunde: Blacky beobachtet gespannt was passiert und spürt ganz genau, dass etwas Grosses vor sich geht. Er macht kein Auge zu. Dolly schläft bereits freiwillig in der Flugtransportkiste, als wäre es ihr zweites zuhause. Die Kaninchen wohnen heute Nacht im Badezimmer - ihr Stall ist auch schon eingepackt. Der grosse Pferdetransporter der uns nach Frankfurt bringen wird, ist heute Abend angekommen. Stell Dir vor, er war so gross, dass er im Dorf nicht um die Kurve kam, und eine Stunde üben musste. Bei der letzten gemeinsamen Mahlzeit waren wir eine grosse Runde. Neben dem Chauffeur war auch der Journalist da, der unsere Abreise filmt und dokumentiert. Auch einige Pensionäre die uns bis zu letzt zur Hand gehen. Dann natürlich all die lieben Pferdepflegermädchen, die bis zum letzten Moment bei ihren Lieblingen sein möchten. Sie schlafen nun den Schlaf der Erschöpfung im Tipizelt. Am liebsten hätten sie natürlich bei ihren Tieren im Stall übernachtet. Morgen schwänzen sie extra die Schule, damit sie bei der Abreise dabei sein können. Das wird uns das Herz brechen. Vielen Freunden haben wir schon letzte Woche beim Abschiedsfest oder gestern Abend Lebwohl gesagt. Der enge Kreis wird morgen das letzte mal mit uns frühstücken. Heute herrschte eine ausgelassene, traurige aber auch sehr fröhliche Stimmung. Sogar meine Mama, die sonst täglich mehrmals in Tränen ausbricht, musste immer wieder mitlachen. Es gibt wohl keine zweite Familie die so furchtbar chaotisch bis am Schluss am packen ist wie wir und das Ganze auch noch lustig finden. Der arme Journalist war ganz verwirrt. Um aufgeregt zu sein, bin ich schlicht zu müde. Ausserdem habe ich das wunderbare Gefühl das alles gut gehen wird. Die Tiere werden es bestimmt recht gelassen nehmen und wir sind ja immer bei ihnen, um sie zu beruhigen. Kaum zu glauben - jetzt geht's los! All die Jahre haben wir gehofft, gebangt und geplant. Nun ist es endlich soweit.

Wir reisen euch nach! Wir kommen!
Die Willis

(Auszug aus meinem Buch: https://www.amazon.de/Wenn-Pferde-fliegen-Heidi-Grieder/dp/3833006323 )

Nachtrag:

Wow! Irgendwie bin ich erschlagen, ich habe mein Buch, das ich vor gut 15 Jahren geschrieben und veröffentlicht habe, während meiner Serie hier auf steemit, im Schnelldurchgang wieder durchgelesen. Und jetzt zum Schluss der letzte Brief von Sandra hat mir doch tatsächlich die Tränen in die Augen getrieben. Das hat mich richtig überwältigt, weil es all die Emotionen von damals wieder hochgebracht hat.

Zum Schluss möchte ich einen Nachtrag machen, der sich in meiner Buch-Edition nicht findet. Damals vor 15 Jahren schrieb ich diese Geschichte nieder, um mit einem Teil meines Lebens abzuschliessen. Damals bedeutete das für mich das Ende meiner Ehe mit meinem Mann Jürg. Später allerdings, und nicht unbedingt geplant, stellte sich heraus, dass es auch das Ende der Pegasus-Farm mit mir als Mitbesitzerin bedeutete.
Nun, wie dem auch sei. Vor 15 Jahren machte ich einen Schritt, für den mich viele verurteilten oder als verrückt erklärten. Aber es gibt Dinge im Leben, um die man nicht herum kommt und für die man seinen ganzen Mut, Instinkt und seine Intuition braucht, um sie durchzuziehen.

So könnte ich heute schon wieder ein ganzes Buch über die vergangenen 15 Jahre schreiben, aber ich werds jetzt sein lassen.

Ich hoffe, es gab doch einige unter euch, die meiner Geschichte mehr oder weniger regelmässig gefolgt sind auch wenn es ab und zu etwas spezifisch nur um Pferde ging. Für einen kleinen abschliessenden Kommentar oder Kritik, positiv oder negativ, würd ich mich riesig freuen!