Ich gebe ihr mit ausziehendem Blick zu verstehen, dass ich dafür etwas erwarte. Sie öffnet ihren Bademantel, legt sich, wie seit neustem üblich, auf das Ledersofa und lässt mich auf dem dem plüschigen, weißen Teppich knien. Wir pflegen diese Art der Gesprächsführung, während ich mir ihre Intimfrisur erstmal auf der Zunge vergehen lasse. Doch sie lässt sich nicht völlig gehen. Jedes Mal, wenn sie kurz davor und mein Mund kurz darüber ist, springt sie hastig auf. Diesmal unvermutet früh. Sie ist wie angestochen, weil sie ein Auto in die Einfahrt einbiegen hört. Tatsache, Richards vergammelter BMW steht vorm Haus und er ist bereits auf dem Weg nach oben. Besucher schätzt er nicht. Vor einigen Wochen klingelte die neue Nachbarin, bestückt mit einer Flasche Wein, herzlichen Worten und ein paar Stichpunkten aus ihrem Leben. Alles ertrug er zwar mit gebotenem Schweigen, als Antwort hatte er aber nur ein kurzes: „Hau ab!“ übrig. Eine Geschichte, die er nicht ohne einen gewissen Stolz in seinen Augen erzählt. Seine Lunge hindert ihn zum Glück, das Treppenhaus in einem Zug und geräuschlos zu bewältigen. Er ist noch nie einfach aufgetaucht. Der Schreck sitzt noch, sodass uns nichts Klügeres einfällt als mich im Bad zu verstecken. Ich höre, wie sein Schlüssel am Schloss kratzt und bevor ich bepackt mit Sachen und Schuhen, die Badtür ganz schließen kann, steht er in seiner Wohnung. Ich fühle die Pistole in meiner Jackentasche. Ein Rausch durchfährt mich, ich atme und bewege mich unkontrolliert. Mir wird klar, dass wenn wir dieses nervenkitzelnde Abenteuer überstehen, unsere Verbindung viel gefestigter sein wird. Jede Beziehung wird durch ein gemeinsames Feindbild bereichert, aber was, wenn er die Waffe vermisst? Der Türspalt verschafft mir Einblicke in Richards und Zuzannas privaten Kosmos. Was Richard tut, macht er durch sie hindurch. Wie ich bei Mutter, kämpft sie vergebens um seine Aufmerksamkeit. Er begrüßt sie nicht, klärt sie nicht auf, was er will, holt etwas aus seinem Zimmer und hat vor wortlos zu verschwinden, ohne sie wenigstens zu ignorieren. Zuzanna hält ihn davon mit zusammenhanglosen Fragen ab, um von sich abzulenken, statt ihn, bevor er auf die Waffe kommt, ziehen zu lassen. Ob er einen Kaffee will, einen Apfel, ob er zum Abendessen da sein wird; was spielt das jetzt für eine Rolle? Ich kann ihn mir ohnehin nicht mit einem Apfel im Mund vorstellen. Er stoppt nur kurz, schaut auf sie herab, drückt ihr ein harsches: „Nein!“ rein, und ist weg. Erstarrt, aber erleichtert bleibe ich noch einen Moment im Bad zurück, ich bin gefesselt von seinem Verhalten, von einem Mann, der die abscheulichste Zahnbürste besitzt, die ich je gesehen habe. Trotzdem wünsche ich, ich wäre wie er. Ich kämpfe um jedes nette Wort, um jede winzige, uneindeutige Geste und er hat diese grenzenlose Kontrolle über sie. Es regt sich alles an mir und seine wortkarge Machtdemonstration war sicher nur die einsame Spitze des Eisbergs. Das Ausmaß ihrer Abhängigkeit liegt viel tiefer verborgen; so hat er ihr die Zahnwurzel versaut und trotz großer Rechnung und schmerzvollen Nacharbeiten, wird es wohl ein schlechtes Ende nehmen. Bereits zwei die es besser wissen müssen, haben ihr geraten dringend etwas zu unternehmen, statt diesen faulen Kompromiss mit sich rumzutragen, doch sie erträgt es mit aller Stille, aus Angst vor seinen Ausbrüchen.