Kletterst Du auf den richtigen Hügel?

in #deutsch4 years ago

English summary: When you climb up your "career hill", the most direct way up is maybe not the right one! It is maybe better to end up on a higher hill more far away, but it hard to first climb down.

Liebe Hiver,

kennt Ihr den Bergsteigeralgorithmus? Es ist eine mathematische Optimierungsprozedur, aber auch anwendbar für andere Fragestellungen. Wenn man z.B. in dichtem Nebel die Gegend nicht sieht, einfach in die Richtung gehen, die am steilsten bergauf führt, irgendwann ist man dann zwangsläufig am Gipfel.

Genauso verhält es sich mit der Karriere. Man sollte herausfinden, wie es hinauf geht und dann Schritte in diese Richtung machen, um am Ende "ganz oben" zu stehen (oder zumindest dort, wo man hin will, "ganz oben" ist für viele ja gar nicht erstrebenswert).

Einschub: Natürlich, "höher" ist nicht automatisch besser und schon gar nicht für jeden, manche scheuen regelrecht Verantwortung, das ist komplett in Ordnung. Aber es ist auch nachvollziehbar, dass viele hinauf wollen, denn von "oben" hat man mehr Übersicht und Entscheidungsfreiheit, und finanziell lohnt es sich auch meist.

Aber so einfach ist es nicht, denn aus weiter Ferne betrachtet, gibt es nicht nur einen Hügel, sondern oft mehrere, und wenn man stur denjenigen hinaufklettert, an dessen Fuß man (zufälligerweise) steht, landet man in einer Sackgasse! Denn ein entfernterer Hügel könnte eine viel bessere Karrierehöhe bieten (oder eine bessere Lebensqualität, oder einem einfach mehr liegen), aber man vertraut seinem (unbewussten!) Bergsteigeralgorithmus, der nichts anderes ist als eine der vielen Urteilsheuristiken, die einen oft in die Irre führen.

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https://cdixon.org/2009/09/19/climbing-the-wrong-hill

Mir scheint, viele Leute sind in einem Alltagstrott gefangen, der sie daran hindert, einmal den Blick schweifen zu lassen und andere Hügel überhaupt erst zu sehen. Für viele ist ein Karrierrewechsel bzw. ein "Umsatteln" eine Denkunmöglichkeit. Meist herrscht auch dicker Nebel, der einen andere Möglichkeiten gar nicht sehen lässt. Sind die Massenmedien nicht wie ein dicker Brei, der sich auf die Schultern der Menschen legt?

Hat man aber den richtigen Hügel ausgemacht, kostet es viel Überwindung und Widerstand, seinen derzeitigen (Karriere-)Pfad abzubrechen, wieder weiter unten zu beginnen und einen ganz neuen Hügel zu besteigen! Es erscheint zu logisch und einladend, den direkten Schritt nach oben zu machen anstatt einen vermeintlichen Schritt nach unten. Es verhält sich nicht viel anders als bei Experimenten zum Belohnungsaufschub. Will man jetzt eine kleine Belohnung nehmen oder kann man abwarten, um später eine größere zu erhalten? Würdest DU jetzt 1000€ nehmen oder in 7 Jahren 2000€?

Ich selbst habe einmal in meinem Leben den Hügel gewechselt und meine Dissertation abgebrochen (2 1/2 Jahre Arbeit im Prinzip hingeschmissen) und woanders neu angefangen. Damals war die Wahl aus verschiedenen Gründen nicht schwer für mich. Ich habe es jedenfalls nie bereut. Heute nochmal komplett zu wechseln könnte ich mir dagegen nur sehr schwer vorstellen.

Standest Du schon einmal vor so einer Wahl, einen anderen Hügel zu besteigen?
Oder gibt es für Dich vielleicht einen entfernteren Hügel, der Dich lockt, aber dorthinzukommen zu schwierig wirkt?

Quellen:
https://cdixon.org/2009/09/19/climbing-the-wrong-hill

zum Thema passend:
"Jeder sollte Manager sein"

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Ich bin mein ganzes Leben rumgeklettert, war auch ganz okay. Vor einigen Jahren bin ich dann komplett hinuntergestiegen, noch ein bisschen freelancing, und gut. Jetzt bin ich ein bisschen ärmer aber FREI. Ich muss nicht mehr arbeiten, während mir (zumindest theoretisch) noch ausreichend Lebenszeit verbleibt, die Freiheit täglich zu genießen.

Ich wünchte, ich wäre früher auf diesen Trichter gekommen, aber besser spät als nie.

Mein Rat: Bringt eure Affären schnellstmöglich in Ordnung, steigt den Hügel hinunter und lernt, mit etwas weniger materiellen Dingen zufrieden zu sein. NICHTS ist den Verlust an Freiheit wert, den das Streben nach mehr zwangsläufig nach sich zieht!

Ich bin auch einmal falsch abgebogen. Auf der anderen Seite weiß man nicht, was passiert wäre, wäre man die andere Gabelung weitergegangen. Beschweren möchte ich mich nicht. Ich konnte ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben führen. Das kann nicht jeder. Oder sagen wir es anders, das will nicht jeder. Viele die es eigentlich könnten, wollen dafür nichts riskieren. Ich schweife etwas ab von Deinem meiner Meinung nach sehr guten Post. Aber das fiel mir dazu gerade sofort ein.

Wie wärs wenn es zu jedem Beruf eine App gibt die diesen simuliert, sodass man nicht unbedingt den gesamten Prozess in RL durchlaufen muss. Oder wie wärs wenn man in engem Kontakt zu anderen Bergsteigern steht, die andere Hügel erklommen haben, um zu checken, welche Hügel denn überhaupt höher oder niedriger sind als deiner.

Interessant, aber damit die App für Dich und Deine persönliche Situation sinnvoll wäre, müsste sie einiges von Dir wissen. Käme für mich nicht in Frage, da ich ungern Datenbanken mit meinen persönlichen Daten füttere.

Netzwerke gabs ja schon immer, nichts anderes machen die :)

Du könntest eine Antipersona für die Benutzung erstellen..
Aber eigentlich meinte ich damit, dass man bei der Simulation sieht wie Projekte in einem Beruf ablaufen und wie das allgemeine Setup ist. Das sind bereits einige wertvolle Informationen die einem bei der Entscheidung helfen könnten (Bsp. "BER Bausimulator").
Findest du, dass Menschen heutzutage immer weniger auf Gipfeln gammeln und zu schnell wieder hinunterwollen um höhere Gipfel zu erklimmen, oder ist der Trend eher konstant bzw umgekehrt?

Ich habe keine Ahnung, ich denke die meisten bleiben auf ihrem Gipfel und verkennen ihre Talente - leider. Aber wie gesagt, ich kenne nicht einen repräsentativen Querschnitt aller Menschen. Vielleicht gibt es Umfragen dazu.

Ja sehr praktisch, kannte ich noch nicht! Nur bezweifel ich jedes Mal den steilsten Weg nehmen zu können :)