Hieronymus Bosch - Weltgerichtstriptychon

in Deutsch D-A-CH12 days ago (edited)
Authored by @BeeSmart

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Heute war ich in der Akademie der Künste in Wien und zwar wegen genau eines Bildes. Ein Bild von Hieronymus Bosch - Weltgerichtstriptychon (um 1490-1505), also über 500 Jahre alt.

Hieronymus Bosch ist ein Singulär in der Kunstwelt, es gibt nichts Vergleichbares. Dieser Mann war noch dem Spätmittelalter verbunden und auf der anderen Seite so modern, dass der große André Breton, der große Theoretiker des Surrealismus, sagte, er habe die Malerei neu erfunden (sinngemäß). Es ist eine Figur, bei der man sich fragt, woher diese Inspiration kommt, woher diese Figuren, die manchmal den schlimmsten Albträumen entsprungen zu sein scheinen, etwas Karikaturhaftes, manchmal aber auch etwas Heiteres, manchmal Lächerliches an sich haben. Eigentlich war er der erste Surrealist , 500 Jahre vor den eigentlichen Surrealisten.

Ich stand fast eine Stunde vor dem Altar und entdeckte wie bei einem Wimmelbild immer wieder Neues. Wie am Fließband tauchten plötzlich Szenen und Figuren auf, die ich noch nicht kannte, obwohl ich die Stelle bereits mehrfach gesehen hatte. Einfach ein Erlebnis der besonderen Art.

Derzeit gibt es weltweit 24 anerkannte Ölgemälde und noch einmal so viele Zeichnungen. Deshalb hat die Akademie der bildenden Künste in Wien mein vollstes Interesse - es ist aus meiner Sicht ein Privileg, ein Original von ihm vor Augen zu haben.

Wir wissen sehr wenig über sein Leben, aber soweit wir wissen, hat er ein sehr braves bürgerliches Leben geführt. Es gibt auch keinen Beweis dafür, dass er seinen Geburtsort (s-Hertogenbosch - Herzogen Busch) je verlassen hat. Er nahm den Namen seiner Geburtsstadt an, vielleicht war es ein Markenzeichen oder ein Marketingtrick, und er signierte auch seine Bilder mit diesem Namen. Sein richtiger Name war Hieronymus van Arken, was darauf hinweist, dass seine Familie ursprünglich aus Aachen stammte. Für einen Künstler war er sehr unabhängig, da er schon zu Lebzeiten berühmt war und seine Bilder sehr gefragt und daher gut bezahlt waren. Außerdem war er mit einer Frau aus einer Patrizierfamilie verheiratet, so dass auch von dieser Seite finanzielle Unabhängigkeit bestand.

Seine Wirkung hat sich bis heute erhalten: wenn irgendwo etwas Schlimmes passiert oder zu sehen ist (Gefangenenbilder, besondere sexuelle Ausschweifungen), sagt man - es sieht aus wie ein Szenario von Hieronymus Bosch.

Es ist ein dreiteiliges Bild, zuerst sehr klassisch, aber dann ist nichts mehr klassisch.

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Auf der linken Seite ist eine Paradiesszene dargestellt. Im Hintergrund werden Adam und Eva von einem Gott gesegnet, der fast wie Jesus aussieht. In der Mitte essen Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis, werden aber von einer Schlange in Menschengestalt mit Greiffüßen verführt. Weiter oben werden sie von einem Engel mit Schwert aus dem Paradies vertrieben.

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Aber berühmt ist dieses Bild wegen seines Mittelteils. Das Weltgericht und die Bestrafung der sieben Todsünden (Hochmut, Geiz, Wollust, Neid, Völlerei, Zorn, Trägheit)

  • Hochmut: Eine stolze Seele könnte an einem Rad gefesselt oder von Dämonen verspottet werden, was die Umkehrung ihres Hochmuts symbolisiert

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  • Wollust: Eine Szene mit Figuren, die von phallischen oder tierischen Kreaturen attackiert werden, könnte die Verdammnis der Wollust darstellen.

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  • Völlerei: Eine dicke Figur, die von Dämonen mit Schlamm oder Exkrementen gefüttert wird, könnte Völlerei darstellen.

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  • Eine Figur, die in einem ewigen Kreislauf an einem Rad dreht oder von Dämonen angetrieben wird, könnte Trägheit darstellen.
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Aber seht es euch selbst an ich denke da gibt es bestimmt viele weitere Szenen die für eine oder andere Todsünde steht. Bosch war stark von der mittelalterlichen Theologie beeinflusst. Sein Werk warnt vor den Konsequenzen der Sünde und fordert die Betrachter zur Buße auf.

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Rechte Tafel: Die Hölle mit der Bestrafung der Sünder. Das droht den Menschen, wenn sie sich nicht gut beraten haben, ein wahres Höllenszenario, in dem man noch einmal Wesen, Schrecken und Gestalten in einer apokalyptischen Situation vereint sieht. Ein Fest für alle psychologisch Interessierten, es zeigt die Obsessionen, die Ängste, die die Menschen damals hatten.

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Benedikt Erenz hat einmal treffend über die Bosch-Bilder zum 500. Todestag geschrieben:

„Kann man diese Bilder hören? - Aber gewiss, man kann es gar nicht überhören, dieses Schmatzen und Gurgeln, Johlen und Grölen, dieses Stöhnen des Schmerzes und der Lust der Wut und der Wonne. Dieses Kotzen und Furzen und Pissen, dieses Heulen und Zähneklappern, Flüstern und Geifern, das Leuten das Singen, dieses ganz, ganz leise Seufzen.“

Besser kann man die Bilder von Hieronymus Bosch nicht zum Klingen bringen.

Zum Schluss fällt mir noch ein Bild von Hieronymus Bosch ein, es hängt in der Gemäldegalerie in Berlin (Kupferstichkabinett) und ist eine Zeichnungen von seinen 24 gesamten Zeichnungen. Ein Blatt mit dem Titel „Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren“, ein wirklich surrealistisches Bild, wo ein Wald Ohren hat. Und diese Federzeichnung trägt noch eine Inschrift von ihm mit folgendem Text:

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Armselig ist der Geist, der stets von den Erfindungen anderer Gebrauch macht und sich selbst nichts ausdenkt

Eine Aussage, die in Zeiten von Copy & Paste und künstlicher Intelligenz aktueller denn je ist. Kreativität und Phantasie aus sich selbst schöpfen und nicht einfach kopieren. All das findet sich in den Bildern von Hieronymus Bosch.

Wer nach Wien kommt und Zeit und Lust mitbringt, findet hier ein Meisterwerk der Kunstgeschichte.

Bleibt BeesmArt

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Exzellent beschrieben! So genau hatte ich mir das noch nie angesehen. Er war seiner Zeit weit voraus!

Danke für das Lob - das stand schon lange auf meiner Liste und es gibt nicht so viele Möglichkeiten einen echten Bosch zu sehen, da seid ihr hier in Wien wirklich privilegiert. Soweit ich weiß, befinden sich 6 der 24 Bilder von Hieronymus Bosch im Prado Museum, wobei ich gehört habe, dass Kunstkritiker 3 davon als nicht echt bezeichnen. Er war schon zu Lebzeiten so berühmt, dass sich nach seinem Tod viele Nachahmer und Kopisten an ihm bereichern wollten.

Die Bilder im Prado sind von der Spanischen Habsburger Sammlung. Ich kenne zwar nicht die genauen Details, glaube aber kaum dass die Habsburger damals Fälschungen kauften. Es stehen Aussagen gegen Aussagen - hier Beispiele davon:
https://archive.nytimes.com/artsbeat.blogs.nytimes.com/2016/02/17/prado-explains-decision-to-withhold-works-from-bosch-show/
Stellungnahme vom Prado:
https://www.museodelprado.es/en/resource/controversies-regarding-hieronymus-bosch/0c390775-54e6-4801-a0f8-cb777d46288c?coleccion=Historical%20exhibitions
und nun, so ging es weiter in diesem Streit:
https://www.theartnewspaper.com/2016/05/31/prado-opens-landmark-bosch-exhibition-amid-attribution-controversy

Soweit ich das mitbekommen habe, wollte man zum 500. Todestag von Bosch eine weltweite Ausstellung organisieren und bot an alle HB Bilder auch dabei zu restaurieren. Und ich glaube mich zu erinnern dass alle, ausser dem Prado dabei waren. Was vielen komisch vorkam. Ein Schelm der Böses dabei denkt. Aber vielen Dank für die Links🖖

Das habe ich ewig lang nicht mehr gesehen. In meiner Jugendzeit habe ich öfters besucht, und das war immer schon sehr speziell. Damals war der Eintritt frei, soweit ich mich erinnere, denn ich habe auch Klassenzimmer 'ausspioniert', besonders die der Wiener Schule von Gütersloh. Super Bericht und Details. Habs auch geteilt. Jetzt muss ich echt wieder mal hingehen! Ich bin ein Fan von Bosch, schon seit jeher. Der Altmeister der Surrealisten.


Vor 9 Jahren habe ich mehrmals auf meiner Webseite Beiträge über Bosch veröffentlicht. Einer davon: https://www.artofthemystic.com/blog/het-noordbrabants-museum-presents-jheronimus-bosch-visions-of-a-genius

Auch ein Fanboy von Bosch, da haben wir was gemeinsam. Aber es kostet Eintritt. Erwachsener 12€

Wahnsinn, ich kenne das so auch nicht und eigentlich ist das für einen Wiener eine Schande. Jedoch genau das ist es, was ich bei mir selbst kritisiere. Wir bereisen die Welt, fahren da und dort hin und letztendlich kennen wir / ich unsere eigene Stadt nicht.

Danke ;-)

Geht mir manchmal in Nürnberg genau so. Meist ist das Gras auf der anderen Uferseite immer grüner, bis man dort ist, dann ist es wieder umgekehrt 😁

Nürnberg? Da gab es mal ein gutes Steakehouse Lokal hmmm ... wie hieß das :)

Da kenne ich das Samders.