Schätze der Lausitz oder das Ende der Braunkohle

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Bei Welzow in der Niederlausitz liegt eines der größten noch aktiven Abbaugebiete für Braunkohle. Sie liegt hier in Flözen, die bis zu 15 m stark sind und in einer Tiefe bis zu 120 m liegen. Der Abbau ist hoch lukrativ, auch wenn gewaltige Schichten aus Kies, Sand und Ton bewegt werden müsssen. Der Abbau begann in dieser Region Ende des vorletzten Jahrhunderts. Wenn das jetzt aktive Gebiet abgebaut ist, ist das wahrscheinlich auch das Ende des Bergbaus bei Welzow. Ein weiteres Gebiet, das bis an die Stadtgrenzen von Welzow geht und die Stadt fast einschließen würde, bleibt wahrscheinlich unberührt.

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Verglichen mit den riesigen Flächen, die in der Lausitz bereits abgebaut wurden, ist der aktive Abbau relativ klein. Er frisst sich als kilometerlanger Graben durch die Landschaft. Die Erdschichten, die auf der einen Seite des Grabens abgetragen werden, landen in gleicher Schichtung wieder auf der anderen Seite. Landschaftsprofile werden oft genau so wieder hergestellt, wie sie vor dem Abbau aussahen.

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In der Mitte, der tieften Stelle des Grabens, liegt die Braunkohle. Sie wird getrennt vom Abraum abgebaggert und landet über Förderbänder und Züge in den Kraftwerken. Es existieren also riesige Flächen, die bereits neu aufgeschüttet und rekultiviert wurden. Etliche alte Tagebauflächen wurden geflutet. So kamen Brandenburg und Sachsen zu einer weiten Seenlandschaft, die ausschließlich auf den Tagebau zurückgeht und die Gegend auch touristisch interessant macht. Außer der Braunkohle gibt der Boden hier nicht viel her. Die sandige Erde läßt nur bescheidene Landwirtschaftliche Erträge zu. Die Gegend war vor Beginn der Tagebaus eher arm, von einer bescheidenen Landwirtschaft geprägt und monoton.

Aber nicht nur die Erde wird transportiert und neu aufgeschüttet. Um an die Braunkohle zu kommen, muß der Grundwasserspiegel ständig großflächig abgesenkt werden. Es dauert ca. 10 Jahre, bis der Wasserspiegel so weit gefallen ist, dasss der Abbau der Kohle beginnen kann. Das hat Folgen für die Vegetation, da tief wurzelnden Bäumen das Grundwasser entzogen wird. Damit das Grundwasser nicht aus weiter entfernten Gegenden nachsickert, werden kilometerlange Sperren aus Tonerde um den aktiven Tagebau gezogen. Auch das Wiederaufschütten ist nicht unproblematisch. Der lockere, sandige Boden verhält sich nicht immer so, wie die Landschaftsarchitekten sich das vorgestellt haben. Böschungen und Seeufer müssen aufwendig befestigt werden. Trotzdem gibt es gelegentlich Überraschungen.

Den höchsten Preis für den Tagebau haben die Bewohner der Dörfer gezahlt, die auf den Abbauflächen lagen. Die Dörfer existieren nicht mehr. Naturlich gibt es Umsiedelungsprogramme für ganze Dorfgemeinschaften, die neuen Häuser sind oft attraktiver als die alten. Aber es ist nicht mehr die angestammte Heimat.

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Tagebau bedeutet, das ganze Landschaften untergehen und neu entstehen. Jeder Aspekt, vom Fluss des Grundwassers bis zum Profil der Landschaft und ihrer Vegetation, wird sorgfältig und über Jahrzehnte geplant und und ausgeführt. Obwohl der abgetragene Boden fast wieder genau dort landet, wo er abgetragen wurde und eiszeitliche Endmorären im Profil wiederhergestellt werden, ist die Landschaft nie wieder dieselbe. Bauen kann man auf diesen Flächen nur mit besonderen Sicherheitsmaßnahmen, denn der geschüttete Boden erreicht nicht die gleiche Dichte und Standfestigkeit wie Schichten, die in jahrmillionenlangen Prozessen entstanden sind.

Der Braunkohletagebau geht zu Ende. Gut für das Klima. Wer sich darüber freut, sollte aber auch verstehen, was dies wirtschaftlich und mental für einige Regionen bedeutet.

Der Tagebau hat gigantische Maschinen und technische Lösungen hervorgebracht, die jeden Betrachter beeindrucken. Was hier an Maschinerie steht, geht an die Grenzen des technisch Möglichen. Der Gigantonomie der Maschinen entspricht der Maßstab, in dem die gewachsenen Erdschichten aufgebrochen, abtransportiert und wieder abgeladen werden. Die neuen, für wenige Jahre existierenden Abbau-Landschaften haben einen anderen Maßstab als die bekannte Natur. Sie sind im Maßstab der Schafelbagger entstanden, nicht im Maßstab der Spitzhacke des Bergmanns und nicht mal im Maßstab eines Lastwagens oder einer Lore. Menschen, die hier arbeiten, sind stolz auf diese unglaubliche Leistung und auf dass fein abgestimmte Konzept, nach dem die einzelnen Phasen eineinandergreifen. Sie holen jährlich Millionen Tonnen Kohle aus der Erde.

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Die Stadt Welzow ist mit der Braunkohle zu einem beachtlichem Wohlstand gekommen. Zu Zeiten der DDR wurden die Arbeiter im Tagebau gut bezahlt. Dazu kam das technische und Verwaltungspersonal, das für den Betrieb notwendig war. Der Braunkohlebergbau war das Rückgrat der gesamten Energieversorgung der DDR. Seit 1989 hat sich die Einwohnerzahl von Welzow auf derzeit ca. 4.000 halbiert. Viele der schönen alten Backsteingebäude, die noch aus der ersten Hälfte des 20.ten jahrhunderts stammen, stehen leer. Es gibt nur wenige Neubauten. Noch immer ist der Tagebau der wichtigste Wirtschaftsfaktor der Region, aber er geht zu Ende. Die halbleere Stadt sucht nach einer neuen Identität inmitten einere Landschaft, die auf beispiellose Weise dem Bergbau unterworfen wurde.

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Am Rande Welzows führt eine schmale asphaltierte Straße auf einen bewaldeten Hügel am Rande des Tagebaus. Auf der Abbruchkante zu einem kilometerweitem Loch in der Landschaft, dem Tagebau Welzow Süd, steht eine Art überdimensionaler Bilderrahmen aus Beton. Ich kann das nur als eine geniale Inzenierung der Braunkohleindustrie bezeichnen. Der Zuschauer tritt auf einen eingerahmten Balkon, vor dem sich Braunkohlehalden ausbreiten. Was man hier sieht, ist eine riesige Wunde in der Natur. Aber die Reaktion ist einfach: Wow! Es ist beeindruckend, wie man es auch dreht.

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Rechts ist am Horizont das Ziel des ganzen Aufwands zu erkennen: Das Kraftwerk Schwarze Pumpe, in dem aus Braunkohle Strom wird. Am gegenüberliegenden Ende des Lochs in der Landschaft steht einer der gewaltigen Schaufelradbagger. Noch weiter im Hintergrund drehen sich Windräder als Kontrast zur gewalttätigen Technik des 20. Jahrhunderts und erzählen von der nächsten Generation der Energiegewinnung. Die Symbole der technischen Meisterleistungen aus zwei Jahrhunderten haben wegen der großen Entfernung die Größe und die Anmutung von Spielzeug.

Ich bin froh, dass diese Technik und dieser Umgang mit der Natur ein Ende haben werden. Aber ich bin nur ein Besucher. Die Menschen hier haben damit gelebt, es ist für sie ein Aspekt ihrer Heimat und immer noch die wichtigste Lebensgrundlage der Region.

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