Philosophie im Barock - Vom Krieg der Dogmen und der Geburt der modernen Wissenschaft - Teil IV

in #philosophie6 years ago (edited)

An Grenzenlosigkeit zu glauben ist zwar schön, aber auch enttäuschend. Die übertriebene Euphorie der Renaissance fand ein jähes Ende in Krieg und Tod – aber in jenem Ende fand sich auch ein impulsstarker Anfang.

Was war geschehen? Indem, dass in der Renaissance nun wieder vorrangig der Mensch selbst an seinem Schicksal verantwortlich war, erbrachten viele Europäer Höchstleistungen um die Gesellschaft voran zu bringen. Das Kulturzentrum lag zwar in Norditalien (damals noch zu Deutschland gehörig), aber in ganz Europa entstand neue Wohlfahrt und neue Kultur.

Auf der anderen Seite versuchten die einst mächtigen Kirchen ihre schwindende Macht nochmals mit aberwitziger Propaganda zu retten. Das vermutlich erstaunlichstes Beispiel war der Ablasshandel, bei dem man sich und sogar seine Vorfahren von Sünden und damit der Bestrafung Gottes frei kaufen konnte. Dass damit der Petersdom finanziert wurde, erfuhren nur die wenigsten.
Einer davon war der neugierige Martin Luther, der die Baustelle in Rom mit eigenen Augen gesehen hatte. Lustigerweise war auch er zuvor auf einen Ablassbrief herein gefallen. Daraufhin war sein Vertrauen in die Kirche zerstört, sodass er – wie einige vor ihm – durch seine Übersetzungen den Zugang des gesamten Volkes zur Bibel ermöglicht hat. Doch war es durch erste automatisierte Manufakturen (Vorgänger der Fabriken) und dem Buchdruck nun möglich, solche bahnbrechenden Werke in großen Stückzahlen zu produzieren.
Das Resultat kennen wir: Die Katholische Kirche wollte sich nicht reformieren lassen, sodass es 1547 endgültig zu einer weiteren Spaltung kam und wenig später zu ernsteren Konflikten und kleineren Scharmützeln.

Der Gipfel davon war der 30 jährige Krieg, überwiegend auf Deutschem Boden (1618 – 1648), der das aufstrebende Deutschland für die nächsten 200 Jahre in die Bedeutungslosigkeit zurück katapultierte. Angefangen als ein etwas größerer Religionskrieg (der zu der Zeit nicht unüblich war), wurden bald zahlreiche Herrscher und Feldherren aus ganz Europa angelockt, um auf den schon bald schutzlos daliegenden Deutschen Landen ihre Machtkämpfe auszutragen und ihre Staatsausgaben sowie Söldnerheere durch die Plünderungen zu finanzieren. Zu dem Hunger und den Kriegshandlungen kam eine schreckliche Pestwelle, die mancherorts die Hälfte und anderorts bis zu DREIVIERTEL der Landbevölkerung hinweg gerafft hat.
Aberglaube breitete sich aus; die Leute brauchten offenbar etwas Neues zum festhalten. Schuldige wurden gesucht für die unerklärlichen Seuchen. Teilweise wurden Juden oder andere Minderheiten als schuldig befunden, oft wurden aber vermeintliche Hexen ausgemacht. Die Hexenverfolgung erreichte in dieser schweren Zeit einen Höhepunkt.
Die Euphorie der Renaissance war mit einem Schlag implodiert; der Tod, das Leid, das Elend war nun realer und näher als das Leben, die Freiheit, die Grenzenlosigkeit. Werke aus jener Zeit zeigen deutlich, dass die Menschen jeden Tag vom Tod überrascht werden konnten.


Quelle: http://hausen.pcom.de/jphebel/hebels_basel/totentanz_basel
Solche Werke sind bezeichnend für jene Zeit: Egal ob arm oder reich, hoher oder niedriger Stand, der Tod kann bei jedem überraschend vorbei kommen und mit dir den letzten Tanz des Todes tanzen.

„Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zu Staub zurück kehren wirst“
„Lebe den Tag“

Eine Gruppe Männer war der alltäglichen Angst vor den regelmäßigen Plünderbanden so überdrüssig, dass sie sich in ein Sumpfgebiet zurück zogen und ausnahmslos jeden töteten, der es wagte, ihre kleine Idylle zu stören.
Aus so einem Trauma dauerte es Generationen bis sich Deutschland wieder erholt hatte.

Parallel dazu machte Resteuropa da weiter wo sie stehen geblieben sind. Die Plünderungen in Deutschland, der immer globaler werdende Seehandel und die Rohstoffe aus den Kolonien brachten ungeheure Reichtümer nach West- und Südeuropa. Gerade das 1492, also relativ frisch, aus muslimischer Hand zurück eroberte Spanien schiffte zeitweise so viel Silber aus Südamerika ein, dass regelrechte Silberinflation herrschte.
Aus diesem historischen Hintergrund lässt sich auch der überladene Barock (1600 – 1770) nachvollziehen. Zuvor wurde nach zeitlosen Idealen und allgemeingültigen Ansätzen (Vernunft) gesucht. Doch die Erfahrung des Todes, des Schmerzes und generell der starken Gefühle weckte ein neues Bewusstsein für den kurzen Augenblick, für die Sinneswahrnehmung und der Vergänglichkeit. Das versuchten Künstler jener Zeit in ihre Werke einzuarbeiten, zusammen mit den kostbaren Materialien, zu denen sie nun Zugriff hatten.

Interessant ist an dieser Stelle auch ein spürbarer Wandel in der Philosophie:
Bisher wurde wie schon oft erwähnt mittels der Logik und Vernunft nach allgemeinen Schlussfolgerungen und Gesetzen gesucht. Jedoch fehlte oft die Grundlage bzw der Beweis, sodass es bei reinen Theorien blieb.
Dies änderte sich nun im Barock, in dem die Sinne im Fokus standen. Denn nun traten Philosophen auf den Plan, die sich mit der Frage beschäftigten, wie man sicheres Wissen erlangen könne. Während sich die erste Generation noch stritt, ob man auf den Verstand oder auf die Sinne hören solle, vereinigten vorwiegend britische Philosophen im 17. Jahrhundert beide Ansätze zu einer neuen Philosophie, die heute als Wissenschaft bezeichnet wird.

Sie kamen nämlich zu dem Schluss, dass man insoweit auf die Sinne hören sollte, als dass man bei einer bestimmten Fragestellung für andere wiederholbare Experimente und Beobachtungen durchführt, aus denen man danach nach den Gesetzen der Logik Schlussfolgerungen ziehen kann. (Empirische Wissenschaft)
Nur so könne man Stück für Stück sicheres Wissen erschaffen, auf welches man dann Stück für Stück aufbauen könne.
Diese Methode hat sich bis heute bestens bewährt und in Form von Technik und einer Erweiterung unserer Möglichkeiten (fliegen, tauchen, fahren, usw) manifestiert. Bei strittigen Themen der Wissenschaft wird in aller Regel nicht die Methodik, sondern lediglich falsche Schlussfolgerungen oder unzureichende Experimente kritisiert.